"30 Prozent der Selfmade-Millionäre und 60 Prozent der Start-up-Gründer sind neurodivergent."
Sie können besondere Talente darin haben, Muster zu erkennen, kreative Lösungen zu entwickeln oder detailorientiert zu arbeiten, was für bestimmte Arbeitsfelder besonders wertvoll ist. "Autisten etwa halten sich oft für Pessimisten, Schwarzmaler. Sie sehen aber gleichzeitig Schwachstellen in einer Strategie, in einem Budget - und das ist großartig", schildert Marton ein Beispiel. Insgesamt zählt man rund 15 Prozent der Bevölkerung zum neurodivergenten Spektrum - in Österreich immerhin 1,4 Millionen Menschen. Daraus leitet sich auch der Name des Unternehmens ab, so Marton.
Beratung für Unternehmen und neurodivergente Talente
Bei Marton und ihrem Team werden neurodivergente Talente beraten, bei Bedarf durch Kurse gefördert oder bekommen Unterstützung beim "Coming-out" im Arbeitsumfeld. Zudem bietet das Start-up Unternehmensberatung oder Coaching für Führungskräfte an.
Welche Jobs am besten passen? Auf diese Frage hat die Wienerin eine kurze Antwort: "Alle." Rund 100 Personen sind derzeit im Vermittlungspool von Amazing 15, im Jahr durchlaufen etwa 400 den Aufnahmeprozess - ein zweiwöchiges Assessmentcenter, in dem die Kandidatinnen und Kandidaten online Arbeiten unter Zeitdruck erledigen oder Muster erkennen müssen und so ihren Fähigkeiten auf die Spur kommen. Gesammelt werden diese dann in einer sogenannten Skillcard. "Anders als im klassischen Lebenslauf geht es hier nicht darum, was du vorher gemacht hast, sondern welches Potenzial in dir steckt", erklärt Marton. "Der Markt kann sich verändern. Dann sollten Unternehmen wissen, was ihre Leute noch so draufhaben."
Porsche Bank: Professionelle Coachin beim Onboarding
In Salzburg haben Firmen wie Bosch, dm oder die Porsche Bank mit Amazing 15 eingestellt. Letztere habe sich schon länger mit dem Thema Neurodivergenz auseinandergesetzt, erzählt Eveline Breitwieser-Wunderl, die im Unternehmen das Diversity Management verantwortet. "Es war auch ein dezidierter Wunsch des Managements, Menschen im neurodivergenten Spektrum einzustellen." Über Amazing 15 habe man einen extrem motivierten, engagierten und effizienten IT-Mitarbeiter gewinnen können.
Das Erfolgsrezept? "Im Onboarding wurden Führungskräfte, das Team und der neue Mitarbeiter von einer professionellen Coachin begleitet. Dadurch lief die Eingliederung sowohl fachlich als auch menschlich erfolgreich ab." Ähnliches kann dm-Geschäftsführerin Petra Mathi-Kogelnik berichten: "Jede Person hat individuelle Stärken und Bedürfnisse - so auch neurodivergente Menschen. Darauf wurde unser Team sensibilisiert. Gemeinsam konnten wir einen Rahmen schaffen, in dem sich unser neuer IT-Kollege entfalten und weiterentwickeln kann: mit Vertrauen und Zutrauen, ehrlichen Rückmeldungen sowie Wertschätzung ihm und seiner Arbeit gegenüber."
Passende Rahmenbedingungen sorgen für Spitzenleistungen
Oft bedürfe es nur kleiner Anpassungen in den Rahmenbedingungen, damit Beschäftigte und damit Unternehmen Spitzenleistungen erzielen können Homeoffice, Kopfhörer, die Umgebungsgeräusche dämpfen, oder dimmbares Licht helfen einigen, andere brauchen kurze, präzise schriftliche Anweisungen oder ein sinnvolles Ziel vor Augen. "Wir können uns verdammt gut konzentrieren, nur nicht auf Langweiliges", fasst Marton zusammen. "Sag mir, warum etwas wichtig ist, und du hast sofort mehr Power in der Umsetzung."
Späte Diagnosen bei Neurodivergenz: Bewusstsein setzt Potenziale frei
Nur knapp 20 Prozent der neurodivergenten Frauen erhalten vor dem 40. Lebensjahr eine Diagnose, oft bleiben sie ihr Leben lang ohne eine solche - und damit ohne die Möglichkeit, sich auf die besonderen Bedürfnisse einzustellen, die mit ihrer Neurodivergenz einhergehen. Das hat Konsequenzen: Wer unbehandelt neurodivergent ist, läuft viel eher Gefahr, psychisch zu erkranken, sich hoch zu verschulden oder beruflich keinen Anschluss zu finden. Anna Marton selbst war 38, als sie erfuhr, dass sie ADHS hat. Obwohl: Geahnt habe sie es schon früher. Irgendwann, so hofft sie, sollen ADHS, Autismus und Co. nicht mehr als Diagnose gelten, sondern als ganz normale Ausprägungen dessen, wozu das menschliche Gehirn in der Lage ist. "Wenn Unternehmen bewusst wird, dass 50 Prozent der neurodivergenten Menschen im Arbeitsleben stehen, also in jedem Betrieb Leute mit außergewöhnlichen Talenten da sind, wäre viel möglich."