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Wohnraum: Was tun mit dem Leerstand?

Leere Gebäude stellen vielerorts Kommunen vor große Probleme. Neue Ideen und Leerstandsmanagement könnten einen Strukturwandel ermöglichen.

Leerstand im Villgratental: Unbewohnt, aber nicht ungenutzt.
Leerstand im Villgratental: Unbewohnt, aber nicht ungenutzt.

"Es steht eigentlich nicht leer, es ist nur unbewohnt", diesen Spruch hat Bernhard Grüner vom Institut für Geographie an der Universität Innsbruck öfters gehört, als er eine Studie über landwirtschaftlichen Leerstand in der Osttiroler Gemeinde Innervillgraten verfasste. Was auf den ersten Blick unverständlich erscheint, ist aber in der Realität oft genau so wie beschrieben.

Doch was ist Leerstand eigentlich?

Die Frage stand kürzlich auch bei der Tagung "Stadt, Land, Wohnen" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in den Räumlichkeiten der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg im Fokus.

Eine Definition ist schwieriger als gedacht und auch dessen Erhebung. Davon konnte schon Andreas Van-Hametner von der Universität Salzburg ein Lied singen. Er hat eine Studie über mindergenutzten Wohnraum in der Stadt Salzburg erstellt, die Unterlagen und Zahlen dazu waren aber äußerst schwierig zu bekommen beziehungsweise nicht erfasst.

Auf Datenbasis von 2011 kam er auf 14.791 Objekte, bei denen kein Hauptwohnsitz gemeldet ist, das sind 17 Prozent des Bestands und "damit in einer ähnlichen Höhe wie in anderen Städten". Seine Recherchen kamen auf 16 Prozent Nebenwohnsitze in der Stadt Salzburg, der Wert liegt in Graz bei 15,6 Prozent, in Innsbruck bei 22,4 Prozent und in Linz bei 12,8 Prozent. Vor mehr als zehn Jahren wohlgemerkt!

"In Salzburg sind die Gebäude- und Registerdaten mangelhaft", konstatierte der Experte. Deshalb gab es nach seiner Studie auch keine neuere Version, lediglich das SIR forscht diesbezüglich auf Basis der Energieverbrauchsdaten.

Ein Grund für den Wissenschafter, den Weg über eine Stichprobe zu suchen, bei der Wohnbauprojekte zwischen den Jahren 2000 und 2021 mit mehr als 30 Wohnungen erfasst wurden. Von den 7295 Wohnungen waren 407 ganz ohne Meldung, das bedeute 5,6 Prozent Leerstand, 231 oder 3,2 Prozent waren Nebenwohnsitze. Zusammen bedeutet das eine Leerstandsquote von 8,8 Prozent.

Bei Mietwohnungen im gemeinnützigen Bereich konnte Van-Hametner keinen Leerstand registrieren, niedrig lag die Quote auch bei gemischten Objekten. "Je mehr gewerbliches Eigentum, desto mehr mindergenutzter Wohnraum", stellte der Forscher fest. Das führte zu einer Extrauntersuchung von kleinen gewerblichen Projekten und siehe da: Hier fand er die höchste Mindernutzungsquote. Van-Hametner: "Leerstand und Nebenwohnsitze finden sich eher in neuen Projekten."

"Alter Leerstand": Potenzial für Wiederbelebung von mindergenutztem Wohnraum

Bernhard Grüner von der Uni Innsbruck hingegen befasste sich mit "altem" Leerstand in einem abgelegenen ländlichen Gebiet, der Gemeinde Innervillgraten in Osttirol. Dort hörte er den eingangs erwähnten Satz "es steht eigentlich nicht leer, es ist nur unbewohnt". Er versuchte dort, das Potenzial für Wiederbelebungen zu erforschen. Doch hier im ländlichen Bereich stieß er auf die Problemlage, dass ihm die Einheimischen über das Thema Leerstand nicht berichten wollten. "Das war deshalb schwierig, weil es dort eine hohe emotionale und finanzielle Bindung an solche Gebäude gibt, die oftmals Teile des Bauernhofs sind." Solche Objekte fielen oftmals als "plötzliches Erbe" an Bewohnerinnen und Bewohner von Innervillgraten. Sie sind oft auch Zweitbesitz neben dem eigenen Hof.

Solche Gebäude wiederzubeleben sei aber eine unglaublich schwierige Angelegenheit. Denn an Menschen außerhalb der Gemeinde zu verkaufen stoße oft auf Misstrauen gegenüber diesen "Zugezogenen", erzählt Grüner. Oft sei auch keine Freizeitwohnsitzwidmung möglich. Zehn Prozent aller Höfe und sieben Prozent aller Wohnhäuser in Innervillgraten stehen laut seiner Erhebung leer oder sind kaum benutzt. Das werde auch weiterhin so bleiben, analysiert Grüner, denn den Besitzern fehle es oft an "Gegenwartskonfrontation", man lasse die alten Gebäude einfach ungenutzt stehen, für weiterreichende Nutzungen fehle die Motivation und meist auch das Geld. Auch Raumordnung und Widmung stünden solchen Nachnutzungen oftmals entgegen. So seien Teilverkäufe meist nicht möglich, außerdem müssten die Käufer Landwirte sein, "für Zugezogene ist so etwas also kaum möglich". Und so stünden immer mehr Gebäude, die oftmals Erbhöfe mit jahrhundertealten Gemäuern sind, leer und verfielen langsam.

Wie kann man mit Leerstand in Ortskernen umgehen?

Wie man mit leer stehendem Wohnraum in Ortskernen umgehen könnte, das erforscht Katharina Drage vom Beratungsunternehmen Rosinak & Partner in Oberösterreich. Sie unterscheidet verschiedene Formen und Typen von Leerstand, etwa "sakrale Wohnräume". Angesichts von Pfarrer- mangel und Pfarrzusammenlegungen stünden inzwischen oft die Pfarrhäuser leer, und das in der Regel in bester Ortskernlage. Auch Wohnraum in Zusammenhang mit Arbeit und Ausbildung stehe oft leer. Drage registriert auch im Nachbarbundesland zudem zunehmenden Leerstand im Bereich der Landwirtschaft. Und schließlich seien es oft die Stadthäuser beziehungsweise Bürgerhäuser auf den zentralen Plätzen, in denen immer weniger gewohnt werde. Oft seien diese leer stehenden Gebäude ortsbildprägend, weshalb sie jahrzehntelang leer stünden, weil es keine passende Nachnutzung gibt. Drage: "Die Schwierigkeit ist, dass Wohnraumsuchende Ansprüche haben, etwa Freiräume wie Gärten oder Balkone oder Stellplätze vom Auto bis zum Kinderwagen." Dazu kommt der Sanierungsbedarf und auch die Tatsache, dass es in dieser Hinsicht zu wenig Austausch innerhalb der Gemeinde gibt. "Ohne Wohnbevölkerung keine Ortskernbelebung", bringt es die Expertin auf den Punkt. Und da sei dann auch der demografische Wandel als zusätzliche Bremse zu berücksichtigen.

Auch Hannes Huemer, Architekt bei HuB Architekten, beschäftigt sich mit strategischen und umsetzungsorientierten Innenentwicklungskonzepten für verschiedene Regionen in Oberösterreich. Konkret nannte Huemer die sogenannte Mühlviertler Alm, eine Region an der Grenze zu Niederösterreich und Tschechien. "Die Mühlviertler Alm ist eine stagnierende Abwanderungsregion", sagt Huemer. Das widerspreche sich nicht, denn die Abwanderung aus einigen Orten werde oftmals durch Zuwanderung in andere Orte mit Nähe zu Ballungszentren aufgewogen. Er gibt seiner Kollegin Katharina Drage aber recht: "Leerstandsaktivierung heißt: Wir brauchen Nutzer!"

So könnte in der Mühlviertler Alm künftig Wohnraum wieder gefragt sein, weil es dort in Zeiten des Klimawandels fünf bis sechs Grad kühler ist als in der Großstadt Linz. In manchen Fällen benötige es auch eine Mediation von außen, weil etwa ein Besitzer und die Gemeindevertretung einander nicht wohlgesinnt sind. Huemer unterscheidet auch zwischen verschiedenen Leerstandstypen: So gebe es einen Gebäudeleerstand, aber auch einen Leerstand im Gebäude. "Das ist oft in Ortskernen so, dass das Erdgeschoß leer steht, in den Wohnungen darüber aber Menschen wohnen." Für die Belebung solcher Sockelzonen brauche es neue Ideen: "Der klassische Handel kann und wird nicht mehr die Zukunft der Ortsmitten sein."

Oft sind Zweitwohnsitze besser als Gebäudeleerstand

Und in vielen Fällen sei es möglicherweise besser, eine Mindernutzung, etwa Zweitwohnsitze, zuzulassen, als einen kompletten Gebäudeleerstand womöglich auch noch im Ortskern zu riskieren. Auch der Architekt appelliert an die Gemeinden, rasch ein Leerstandsmanagement einzuführen. Das sei besser, als zu spät darauf zu reagieren und mit Leerstandsabgaben zu versuchen, das Ruder herumzureißen. Er nennt ein Beispiel aus der Praxis: "In einem Ortskern steht ein Geschäft leer, das Gemeindeamt daneben baut ein neues Gebäude, das alte steht dann auch leer. Mit einem Leerstandsmanagement könnte man schon reagieren, bevor der Leerstand überhaupt schlagend wird."